Dienstag, 25. Oktober 2011

11. nach Trinitatis, 4. September 2011


Liebe Gemeinde.
Das faszinierende an den Gleichnissen,
die Jesus erzählt, ist,
dass sie auf einfache Weise etwas
über das Verhältnis von den Menschen zu Gott sagen.
So, dass jeder es verstehen kann.
Auch über die Entfernung von 2000 Jahren
hat das Gleichnis von den ungleichen Brüdern
nichts an seiner bestechenden Deutlichkeit verloren.
Wobei: In einem Weinberg arbeitet wohl niemand von uns.
Aber es finden sich Beispiele aus unserer eigenen Welt,
die dem Inhalt des Gleichnisses nahekommen.
Zum Beispiel die Sache mit dem Rasenmähen –
aus der Sicht des Aufgeforderten erzählt:

Neulich, ich war gerade wieder so zu Hause,
hab mich erstmal so auf die Couch gefletzt –
naja, erstmal n bisschen ausruhen.
Und dann, klar:
Fernseher an und erst mal n paar Folgen Scrubs reinziehen.
Ja, und dann, mitten in der ersten Folge,
kommt meine Mutter plötzlich in mein Zimmer,
stellt sich voll vorn Fernseher und meint so:
Hier, kannste mal den Rasen mähen?“
Ich so: „Ja, ja.“
Und sie: „Mach das bitte jetzt aber auch.“
Und ich so: „Ja, mach ich ja gleich!“
Und sie so: „Ja, aber auch wirklich, ne?!
Und brauchst ja nicht gleich mit den Augen drehn,
wenn ich dich mal um einen kleinen Gefallen bitte.“
Boah, und ich dann so:
Jetzt stress hier mal nich so rum! Ich mach das ja gleich wohl?!
Ich hatte heute vielleicht n anstrengenden Tag
in der Schule?!“
Ja, sie dann wieder raus, knallt schon mal die Tür zu,
und ich denk so: „Ja super!“
Da hatte ich schon voll kein Bock mehr auf Rasenmähen.
Naja, war ja auch erst so kurz nach drei oder so.
Jedenfalls, ich guck halt so weiter Scrubs –
und plötzlich reißt meine Mutter die Tür auf
und fängt voll an, mich anzubrüllen, so
Hier, ich hab dich doch gebeten, den Rasen zu mäen.
Und was ist?
Sitzt den ganzen Tag da nur rum,
sitzt vorm Computer oder vorm Fernseher.
Kannst wohl auch mal was machen.“
Jedenfalls hab ich natürlich voll zurückgebrüllt.
Is ja klar, so was muss ich mir echt nich anhörn.
Aber die Krönung von dem Ganzen, echt mal,
10 Minuten später guck ich so ausm Fenster
und da brettert meine Mutter wutschnaubend
mit dem Rasenmäher übern Rasen.
Boah, was hab ich mich aufgeregt.
Ich hätt das ja echt wohl gemacht.
Dass man nich mal in Ruhe erst
Scrubs zu Ende kucken kann.
Naja... Ach...
Wenn ich ehrlich bin, schäm ich mich ein bisschen.
Klar ist Rasenmähen nicht toll, aber...
jetzt steh ich wie der letzte Trottel da –
meine Mutter ist wieder sauer –
und das hab ich ja gar nicht gewollt---
Aber das würd ich nie zugeben!

Im ersten Moment haben die Leute,
die das Gleichnis mit den ungleichen Brüdern gehört haben,
vielleicht etwas fragend reagiert:
Was sollen bitte ein Weinberg,
ein Mann, zwei Brüder mit Gott zu tun haben?
Das Gleichnis ist ein Vergleich. Bildliche Rede.
In diesem Gleichnis geht es um die Frage,
welcher der beiden Brüder
denn den Willen seines Vater getan hätte –
Oder besser:
Welche Sorte von Menschen den Willen Gottes tun!
Der Vater enstpricht Gott. Er gibt den Menschen –
hier dargestellt durch zwei Brüder einen Auftrag.
Jesus stellt den Umstehenden selbst die Frage,
wer diesen Auftrag, diesen Willen Gottes wohl erfüllt.

Der eine, der Ja sagt, aber es nicht tut?
Also ähnlich wie der Rasenmäher-Sohn?
Nein, der andere entspricht dem Willen seines Vaters.
Denn obwohl er seinen Vater erstmal abblitzen lässt,
tut es ihm anschließend leid
und er geht dann doch im Weinberg arbeiten.
Man stelle sich das für die Sache mit dem Rasenmähen vor –
diesmal aus Sicht der Mutter erzählt:

Letzte Woche hab' ich Timmy gebeten,
den Rasen zu mähen –
er weiß ja eigentlich,
dass das eben zu seinen Aufgaben zu Hause gehört.
Aber ich wünsche mir manchmal,
dass er da auch von alleine drauf kommen würde.
Naja, das ist manchmal nicht alles so einfach.
Wir fangen deshalb schon auch manchmal Streit an.
Er sagt, er macht's,
dann kommt er aber aus seinem Zimmer nicht raus,
ich werd sauer,
und eins kommt zum andern.
Jedenfalls, letzte Woche,
da ist ein kleines Wunder passiert.
Wobei ich von seiner Reaktion erst...
ich weiß nicht,
ziemlich vor den Kopf gestoßen war.
Als ich ihn nämlich gefragt hab,
meinte er einfach so:
Nein. Mach ich nicht.“
Mit was für einer Bestimmtheit er das gesagt hat,
also, da war ich so baff,
da ist mir nichts mehr eingefallen.
Da bin ich erstmal wieder nach unten gegangen.
Und als ich die ganze Zeit überlegt habe,
wie ich da wohl drauf reagieren könnte –
da ist er einfach so nach unten gekommen,
ist ohne was zu sagen nach draußen
und hat den Rasen gemäht.
Und die Kanten hat er auch geschnitten.
Ich dachte, ich seh nicht richtig.
Ja, und als er wieder ins Haus gekommen ist,
hab ich ihn gefragt:
Sag mal, was war das denn jetzt?“
Und da meinte er:
Ja, hmm, also, tut mir leid,
dass ich vorhin so bescheuert reagiert hab.“
Und da hab ich mich so gefreut –
und ich hab gedacht:
Die Pubertät hat wohl doch einmal ein Ende.

Das Gleichnis von den ungleichen Brüdern ist deutlich:
Den Willen des Vaters zu erfüllen,
auch wenn man es eigentlich nicht wollte,
das ist gut.
Ein reines Lippenbekenntnis dagegen,
also Ja zu sagen aber anschließend nichts machen,
das ist nicht gut.
Und die Übertragung mit dem Rasenmähen macht deutlich:
Den Willen der Mutter zu erfüllen,
auch wenn man das eigentlich nicht wollte,
ist am Ende einfach viel angenehmer
für alle Beteiligten.
Der Junge, der den Rasen letztlich mäht,
der ist einfach etwas reifer.
Sein eigener Wille ist nicht das höchste Maß aller Dinge.
Er lässt sich auch von anderen etwas sagen,
er lässt sich zu etwas beauftragen,
auch wenn er erstmal ablehnt.
Der erste Junge ist dagegen noch etwas kindischer –
oder vielleicht auch ein bisschen pubertär.
Er sagt zwar zu allem Ja –
aber er lässt seinen schönen Worten letztlich
keine Taten folgen.

Was Jesus mit dem Gleichnis sagen will,
geht aber über die Arbeit in einem Weinberg –
und natürlich erst recht über das Rasenmähen hinaus:

Das wird deutlich, wenn man sich den Kontext
dieses Gleichnisses anschaut.
Jesus ist da nämlich gerade im Tempel in Jerusalem und – 
er lehrt, wie Matthäus das nennt.
Das bedeutet, er erzählt den Umstehenden
etwas von Gott.
Allerdings ist das nicht so sehr eine Predigt,
so wie wir das heute in unseren Kirchen kennen.

Vielmehr war es damals durchaus Gang und Gebe,
dass die Gelehrten sich in Diskussionen und Disputen
über Gott ausgetauscht haben.
Einer zitiert z. B. eine Stelle aus den heiligen Schriften –
äußert seine Meinung und seine Einsicht dazu –
und danach ergreift ein anderer das Wort
und bezieht zu dem eben gesagten Stellung.
So ergibt sich eine ganz lebendige Auseinandersetzung
über Themen,
die im wahrsten Sinne des Wortes
Gott und die Welt betreffen.

Nur – bei Jesus war die Sache ein bisschen anders:
Er hat eine ganz besondere, einzigartige Autorität
für sich beansprucht.
Was er sagt, entspricht der Wahrheit.
Jesus redet von Gott,
während die anderen nur ÜBER Gott reden.

Seine besondere Autorität erkennen wir heute an,
indem wir Jesus mit verschiedenen Titeln anreden: Christus,
unser Herr,
der König,
Sohn Gottes,
Erlöser,
Heiland usw...
Das wollten die Gelehrten damals so aber nicht.
Ihnen war der Zugang zu der Wahrheit,
die Jesus verkündet hat, verborgen.
Darum lassen sie keine Gelegenheit aus,
ihm Fallen zu stellen.
Am Anfang sind es nur rhetorische Fallen –
am Ende finden sie einen
seiner vermeintlich treuen Schüler,
Judas heißt er, der ihn verrät.
Aus Jesu Sicht wenden sie sich aktiv gegen die Wahrheit. Und das ist nicht nur irgendeine Wahrheit,
sondern das ist DIE Wahrheit,
die göttliche Wahrheit, gegen die sich wenden.
Jesus hat nicht nur davon geredet.
Für die Wahrheit ist er sogar gestorben.
Aber damit ist nicht die göttliche Wahrheit gestorben.
Im Gegenteil.
Gott erweckt Jesus von den Toten
und macht ihn damit zum sicheren Fundament all dessen,
was wir glauben,
nämlich,
dass unser Gott der Gott des Lebens ist
und dass unser Gott will, dass wir leben,
selbst wenn wir sterben.

Deshalb wird Jesus zum Ende
dieser Auseinandersetzung im Tempel so ernst:
Zöllner und Huren kommen eher in den Himmel als ihr.“ - 
wirft er den Gelehrten an den Kopf. Das sitzt.
Jesus meint damit:
Nur Gott gefällige Menschen kommen in den Himmel. 
Aber wer ein Gott gefälliger Mensch ist,
also, welcher Mensch Gott gefällt, das bestimmt Gott allein.

Wer meint,
sich selbst zu einem Gott gefälligen Menschen
machen zu können,
ist nur ein selbstgefälliger Mensch.
Einer der sich so gut gefällt,
dass er der Meinung ist,
dass Gott ihn auch auf jeden Fall leiden kann.
Natürlich kratzt das am Ego der Gelehrten.
Immerhin sind's ja die Gelehrten,
die Experten für Fragen des Glaubens
und der Beziehung zu Gott.
Selbstgefälligkeit und Gottgefälligkeit
sind Fragen von Hochmut und Demut.
Der Hochmütige sagt Ja –
oder noch besser: „Jaja!“, aber es kommt nichts.
Der Demütige sagt erstmal Nein –
aber dann tut es ihm leid – und er macht dann eben doch:

Im Gleichnis arbeitet der Demütige im Weinberg.
In der Übertragung mäht der Demütige den Rasen.
Aber wie sieht Demut im Leben aus?
Demut ist ja zunächst mal ein Wort,
mit dem die allermeisten nicht viel anfangen können
oder wollen.
Es ist ein sehr negativ besetztes Wort.
Aber was bringt uns Demut in unserem Leben?
Was kann es bedeuten,
als Christ in der Gegenwart im Weinberg Gottes zu arbeiten –
oder wenn man so will:
Den Rasen Gottes zu mähen?

Da dies ein Thema für eine ganz neue Predigt ist,
habe ich mir für heute etwas ungewöhnliches überlegt:
In zwei Wochen werde ich genau darüber predigen.
Ich werde genau da anknüpfen, wo ich jetzt aufhöre.
Und bis dahin:
Denken Sie/ denkt ihr doch mal ein bisschen
über Hochmut und Demut nach.
Was bedeuten diese Begriffe für Sie/ für euch?
Welche Erfahrungen haben Sie, habt ihr gemacht?
Was ist für Sie / für euch Arbeit im Weinberg Gottes?
Und inwiefern ist diese Arbeit auch mühsam?
Ich denke, dass es sich lohnt –
und ich würde mich freuen,
darüber dann auch mit Ihnen / mit euch
ins Gespräch zu kommen.
Der Friede Gottes,
welcher höher ist als alle Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen

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