Sonntag, 2. September 2012

13. nach Trinitatis, 2. September 2012


Liebe Gemeinde.
Diese Geschichte von den ersten Geschwistern, die in der Bibel erzählt wird, endet tragisch. Das fürchterliche an der Geschichte ist auf der einen Seite die Gewalttat, die der Kain begeht. Aber das ist nicht das einzige, was die Geschichte so wenig aushaltbar macht. Sondern die Tatsache, dass die Geschichte im Grunde keine plausible Erklärung für ihren Hergang liefert, macht sie zu einer Herausforderung der unangenehmen Art.
Denn was ich nicht verstehe,was ich nicht erklären kann, macht mir immer ein bisschen mehr Angst, als die Dinge, die ich gut verstehe.
Und die Geschichte von Kain und Abel, diese Überlieferung des ersten Mords in der Bibel ist auch eine harte Geschichte, weil sie uns, jedem und jeder von uns gnadenlos einen Spiegel vorhält. Wieso das? Ganz einfach, weil beide, Abel und Kain in uns stecken.
Die beiden sind wie Stimmen, die ich in meinem Kopf höre. Ganz so wie die Band Fettes Brot das in ihrem Lied „Jein“ von 1996 beschreibt. In Situationen, in denen man sich für eine von zwei Handlungsmöchlichkeiten entscheiden soll, erscheint in einer Strophe einem der drei Sänger Engelchen und Teufelchen auf seinen Schultern und diese versuchen ihn durch Argumente auf ihre jeweilige Seite zu ziehen. Ein Kampf des Gewissens In dem Lied klingt das dann so:

Ich habe einen Freund – Ein guter? – Sozusagen mein bester, und ich habe ein Problem, ich steh auf seine Freundin. - Nicht auf seine Schwester? - Würd ich auf die Schwester steh'n, hätt' ich nicht das Problem, das wir haben, wenn er, sie und ich uns sehen. Kommt sie in den Raum, wird mir schwindelig. Sag ich, sie will nichts von mir, dann schwindel ich. Ich will sie, sie will mich, das weiß sie, das weiß ich. Nur mein bester Freund, der weiß es nich. [...] Es steigen einem die Tränen in die Augen, wenn man sieht, was mit mir passiert und was mit mir geschieht. Es erscheinen Engelchen und Teufelchen auf meiner Schulter,Engel links, Teufel rechts: "Lechz! Nimm dir die Frau, sie will es doch auch! Kannst du mir erklären, wozu man gute Freunde braucht?" "Halt, der will dich linken", schreit der Engel von der Linken, "weißt du nicht, dass sowas scheiße ist und Lügner stinken?" Und so streiten sich die beiden um mein Gewissen. Und ob ihr's glaubt oder nicht, mir geht es echt beschissen. Und während sich der Teufel und der Engel anschreien, entscheide ich mich für ja, nein, ich mein jein!

Während also in dem Lied der Sänger letztlich nicht zu einer Entscheidung kommt und ein offener Ausgang in dieser Situation des möglichen Fremdgehens das ganze etwas entschärft, haben wir es mit unserer biblischen Geschichte von Kain und Abel nicht so leicht.
Kain trifft eine eindeutige Entscheidung und tötet seinen Bruder. Seine Motive bleiben dunkel, selbst wenn sie einigermaßen zu benennen sind: Neid, das Gefühl, Unrecht erlitten zu haben, und der Wille, dieses scheinbare Unrecht auf eigene Faust wieder auszugleichen. Im Hintergrund stehen die beiden Opfer, die Kain und Abel Gott darbringen. Kain opfert Gott etwas von seiner Getreideernte, während Abel ein oder zwei Tiere aus seiner Schafherde opfert. Die beiden machen das, um Gott für die Ernte und das Wachsenlassen der Tiere zu danken. Im Grunde feiern beide Brüder so etwas wie ein Erntedankfest. Nur – und das ist das unerklärliche an der Geschichte: Gott freut sich über das Opfer von Abel, aber über das Opfer von Kain freut er sich nicht. Und zwar in einer Weise, dass beide – vor allem Kain – das mitbekommen. Unzählige Versuche sind in der Theologiegeschichte unternommen worden, um zu erklären, wie es dazu kommen konnte. Wollte Gott Kain etwa testen oder in Versuchung führen? Hat Kain etwa sein Opfer nicht ernst gemeint?
Aber alle Erklärungen müssen letztlich ins Leere laufen, denn der biblische Text schweigt an dieser Stelle – leider! Und somit verkommen alle Erklärungen letztlich nur zu einem Versuch der Menschen, das unerklärliche Göttliche verstehen zu wollen.
Dass das aber nicht funktioniert, haben schon die Eltern von Kain und Abel gemerkt. Adam und Eva, die ersten Menschen, wollten so sein wie Gott - wollten ihn ganz und gar verstehen, und mussten letztlich erkennen, dass ihr Leben durch diesen Versuch wesentlich schlechter und anstrengender geworden ist. Und während sich die Eltern Adam und Eva ein vertikales Vergehen leisten - indem sie sich gegen Gott im Himmel auflehnen, ist das zweite Vergehen der Menschheitsgeschichte ein horizontales, also innerhalb der Menschen.
 
Die Motive Gottes, warum er das eine Opfer freundlich ansieht, das andere aber ausschlägt, die bleiben im Dunkeln. Aber, im Laufe der Geschichte wendet sich Gott noch zweimal helfend an Kain. Zuerst als Gott merkt, was sich da in Kains Gedanken zusammenbrodelt, da ruft er Kain und bittet ihn eindringlich, Herr über seine Gedanken und Taten zu bleiben und sich nicht von der Sünde leiten zu lassen. Und dann ein zweites Mal, als Abel getötet ist und Gott Kain zur Rede stellt. Zunächst bekommt er eine Strafe. Aber Kain sieht ein, dass er etwas fürchterliches getan hat und hat nun Angst vor der Selbstjsutiz anderer Menschen. Da versieht Gott Kain mit einem schützenden Zeichen. Das heißt, Kain hat tatsächlich so etwas wie Täterschutz von Gott zu erwarten. 
Das finde ich beeindruckend – und macht nocheinmal deutlich, wie anders Gottes Gedanken und Urteile sind, als allzu menschliche Urteile. Nach gewöhnlichem, menschlichem Rechts- und Unrechtsempfinden ist doch der Kain selbst Schuld.
Wenn so eine Tat heute passiert, kann man sicher sein, dass irgendwo dumme Menschen auch wieder zu Selbstjustiz und zu drakonischen Strafen aufrufen. So soll die US-amerikanische Pop-Sängerin Britney Spears einmal gesagt haben: "Ich bin für die Todesstrafe. Wer schreckliche Dinge getan hat, muss eine angemessene Strafe bekommen. So lernt er seine Lektion für das nächste Mal."
 
Nicht zuletzt der Geschichte von Kain und Abel ist es zu verdanken, dass es in unserer Rechtssprechung auch so etwas wie Täterschutz gibt. Auch wenn das in vielen Situationen unaushaltbar schwierig ist. Wer will schon einem Psycho-Killer wie dem Schweden Anders Breivik einen besonderen Schutz gewähren. Werden damit nicht auch immer die Opfer und ihre Familien und Freunde verhöhnt? Wer sorgt sich um ihre Bedürfnisse? Wie kommen die mit ihren nachvollziehbaren Rachegelüsten zurecht? Wie sollen sie es schaffen, dass sie nicht selbst wie Kain enden?
 
Die Frage, die viele Menschen bei der Geschichte des Brudermordes umtreibt, ist die Frage:
Woher kommt das Böse? Das Böse in der Welt und in mir? Moderne Wissenschaften geben keine letztgültige Erklärung: Liegt es psychologisch gesprochen an der Prägung eines Menschen? Was der Mensch von Kind auf gelernt und gesehen hat, wie er erzogen worden ist, wie die Gesellschaft mit Recht und Unrecht umgeht, bringt das einen Menschen zum Bösen? Oder liegt es etwa in seinem genetischen Bauplan? Sind bestimmte DNS-Sequenzen etwa dafür verantwortlich, dass manche Menschen das Böse ausleben? Wie gesagt: eine eindeutige Erklärung gibt es von den empirischen Naturwissenschaften nicht.
Aber auch die Theologie kann hier keine eindeutige Antwort geben. Meines Erachtens hat der Kirchenvater Augustin im 5. Jahrhundert ganz treffend und auch heute noch gültig über das Böse geschrieben und gelehrt, dass es sich weder erforschen lässt, wo es denn genau herkommt, noch, dass das Böse überhaupt in irgendeiner Form eine besondere Gestalt, Materie oder Substanz hat.
Das Böse, so sagt Augustin, ist schlicht die Abwesenheit von Gutem. Alles, was in Gottes guter Schöpfung an Bösem passiert, ist dann so eine Art Aushölung des Guten. Das Böse schmarotzt am Guten, wenn man so will.
Menschen sind als Gottes Geschöpfe auch GUT. Sie haben auch das Gute in sich. Aber sie haben eben auch die Fähigkeit, das GUTE zu verneinen. Dadurch verkehrt sich das Ganze dann ins Gegenteil. Dieses Loch, dieses Fehlen vom Guten, ist dann das Böse im Menschen.
Wann immer Menschen sich in dieses Loch stürzen und das Gute verneinen, dann nennt die Bibel das Sünde.
Manche Christen kommen bei der Geschichte von Kain und Abel zu folgendem Schluss: Beides, das Gute und das Böse, Abel und Kain, stecken in dir. Du musst dich letztlich entscheiden, wie du handelst. Lebst du wie Abel oder lebst du wie Kain? Bist du gut oder bist du böse?
 
Aber – Auf der einen Seite steht dann die Frage: Muss ich allen Ernstes erst zum Opfer werden, um ein guter Mensch zu sein? Das ist eine durch und durch zynisch klingende Aussage für alle Menschen, die in irgendeiner Form Opfer geworden sind – einer Wirtschaftskrise, oder von staatlichen Repressalien, oder gar eines Gewaltverbrechens.
Aber damit nicht genug. Aus theologischer Sicht, ist die Lösung, sich einfach für das Gute zu entscheiden, nur ein Trugschluss.
Denn diese scheinbare Lösung macht gar nicht damit ernst,
dass das Böse wie ein Loch in den Menschen steckt. Wie ein schwarzes Loch im Weltall hat es so eine große innere Anziehungskraft, dass Menschen immer wieder gar nicht anders können, als da hineinzufallen.
Und selbst wenn Gott in unserem Predigttext zu Kain sagt: Lass dich nicht von der Sünde beherrschen, sondern beherrsche die Sünde - ich glaube, dass es nur bei dem Versuch bleiben kann.
Aber Menschen, die meinen, dabei Erfolg zu haben, ausschließlich Gute Menschen zu sein, frei von Sünde zu sein, eine funktionierende und uneingeschränkte Gottesbeziehung zu haben, für diese Menschen macht alles Reden von Erlösung durch Jesus Christus, macht die Rede von der Gnade Gottes nun überhaupt keinen Sinn mehr! Wer glaubt, die Sünde und das Böse vollkommen überwunden zu haben, wird stärker denn je davon beherrscht
 
Auf der anderen Seite MUSS es dann aber auch so einen Versuch geben, das Böse überwinden zu wollen: Wer sagt, naja, ich habe das Böse also in mir, da kann ich ja eh nichts machen, der gibt sich und seine Umwelt auf und gibt sich ganz dem Bösen hin. Gott bewahre uns vor solchen Menschen! 
Eindrucksvoll und zugleich abschreckend kann man so ein Verhalten in der klugen US-amerikanischen Serie „Breaking Bad“ - also das ausbrechende Böse – beobachten. In dieser Serie geht es um einen zunächst unscheinbaren Chemiker, bei dem Lungenkrebs festgestellt wird. Er beschließt, Drogen herzustellen, um seine Familie durch die Einnahmen finanziell abzusichern. Doch nach und nach, zunächst schleichend, dann immer brachialer, ist er immer mehr im Netz von Kriminalität und brutaler Gewalt verstrickt und findet Gefallen daran. Das Böse bricht aus, Breaking Bad.
 
In der Frage nach brutaler Gewalt und vom Töten, lehrt der Heidelberger Katechismus – wir haben die entsprechenden Fragen (105-107) vorhin gehört – dass es sich dabei nicht nur um ein passives Nicht-Tun handelt, sondern fordert dazu auf:
Aktiv das Gute für den Nächsten zu suchen und zu tun. Und damit geht der Katechismus ganz in die Nähe von der Geschichte des barmherzigen Samariters, die Jesus erzählt. Der Samariter hätte, wenn er an dem verletzten Mann vorbeigegangen wäre, den Mann ja nicht aktiv getötet. Er hätte sich einfach nur nicht eingemischt.
 
Und da sagt Jesus – und dann viel später auch der Heidelberger Katechismus in der Auslegung der 10 Gebote: Falsch! Du sollst nicht töten heißt: Greif aktiv und helfend in das Geschehen ein. Für uns stellt sich damit die Frage, wie wir jeden Tag andere Menschen nicht töten, indem wir aktiv in ihr Geschehen eingreifen.
 
Ostfriesen pflegen ja überwiegend eine ganz besondere Beziehung zu ihren Gärten. Für viele ist es eine Freude, darin Blumen und Gemüse anzubauen, die Gewächse zu hegen und zu pflegen und vor allem auch eine gewisse, manchmal etwas... strikte Ordnung zu halten. Viele Menschen, die alt und gebrechlich werden, sagen mir, dass nicht die Schmerzen als solche, nicht die fortschreitende Bewegungsunfähigkeit als solche so schlimm ist - sondern die Tatsache, dass sie nicht mehr im Garten arbeiten können. Nun könnte man ja sagen, ist ja nicht so schlimm, wo ist das Problem? Gibt es denn nicht noch andere schöne Dinge? Aber dann sind da eben auch die Nachbarn, oder zufällige Besucher, die vorbeikommen wie der Priester oder der Levit in der Geschichte vom barmherzigen Samariter: Denen fällt natürlich gleich auf, wie der Garten aussieht, und dass der strengen Ordnung ein heilloses Durcheinander gewichen ist. Die zufällig vorbeikommenden Besucher oder die Nachbarn, kommentieren das manchmal:
„Ochhör, mien leev, du kannst ja ock neit mehr so, as du wohl wullt, neij? Din Tuun is ja nu ock nix mehr!“ [Ach, Liebes, du kannst auch nicht mehr, wie du wohl willst, was? Dein Garten macht ja auch nichts mehr her.]
Und egal, ob sie das aus reiner Gedankenlosigkeit sagen oder mit einer gewissen Boshaftigkeit oder sogar Genugtuung: Können Sie sich vorstellen, wie sehr das den Menschen, die nicht mehr im Garten arbeiten können, ins Herz sticht? Im Grunde ist das genau das, was der Priester und der Levit in der Geschichte vom barmherzigen Samariter machen: Vorbeigehen und das Opfer noch verhöhnen.
 
Es gibt ganz vielfältige Dinge, bei denen wir Menschen jeden Tag unseren Nächsten dabei helfen können, nicht getötet zu werden, sondern im Namen der christlichen Nächstenliebe aktiv für eine Linderung von Schmerzen, Ängsten und Demütigungen beitragen können und sollen. Abel hätte einen solchen Samariter brauchen können. Genauso wie Kain.
 
Am Anfang habe ich gesagt: Die Geschichte von Kain und Abel hält uns gandenlos einen Spiegel vor, weil beide auch immer in uns stecken. Gutes und auch Böses. Aber mit dieser etwas ernüchternden Erkenntnis will ich hier nicht aufhören. Das Böse wegreden, geht nicht. Menschen so auf das Gute in sich zu beschwören, dass sie das Böse abstoßen, geht auch nicht.
Gott sei dank gibt es aber Gnade, die wir nicht aus uns selbst heraus holen. Der Blick auf Jesus Christus hilft uns. Jesus ist der Gnadenspiegel, in dem wir mit dem Bösen in uns in einem anderen Licht scheinen. Allein aus der Gnade Gottes sind wir erlöste Menschen, denen das Böse nicht mehr ein Verhängnis bleibt.
Paulus schreibt dazu im 1. Korintherbrief: Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.
Amen

Dienstag, 25. Oktober 2011

13. nach Trinitatis, 18. September 2011

Liebe Gemeinde.
Wozu braucht man eigentlich Demut?
Mit dieser Frage habe ich vor zwei Wochen
meine Predigt im Gottesdienst beendet –
und möchte heute mit dieser Frage weitermachen.
Wozu braucht man eigentlich Demut?
Aber zunächst mal: Was versteht man eigentlich unter Demut?

Es hat zunächst etwas mit Erniedrigung und Unterwerfung zu tun –
beides Wörter, die erstmal nicht so pralle klingen.
Erniedrigung: Wenn man in der Klasse das Mobbingopfer ist
und ständig von seinen Mitschülern
gehänselt, ausgelacht und erniedrigt wird –
etwas, das sehr viele Menschen in der Schulzeit erleben –
dann hat das nichts mit Demut zu tun:
Hier müssen sofort die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden – und die Opfer in besonderer Weise geschützt werden.
Genauso bei der Arbeit:
Kein Mensch muss sich gefallen lassen,
von den Chefs oder Kollegen
ausgenutzt, gemobbt und erniedrigt zu werden.
Es gibt genügend Gesetze,
die hier das Recht der eigenen Person schützen.
Und vor allem: Kein Mensch darf seiner Würde beraubt werden.

Also ein erster Punkt ist:
Demut hat nichts mit Entwürdigung zu tun.
Die Beispiele aus der Schule und aus der Arbeit machen deutlich:
So eine Form der Erniedrigung kommt von außen –
man hat sich nicht selbst erniedrigt oder zum „Opfer“ gemacht.
Dagegen bedeutet Erniedrigung im Sinne einer richtig verstandenen Demut: Das kommt aus mir selbst heraus.
Aber warum?
Mein Leben ist so lebenswert und ich bin so einzigartig und großartig –
warum sollte ich verstecken, was ich habe, was ich kann, was ich bin?
Warum sollte ich duckmäuserisch durch die Welt gehen?
Aber auch das ist eine falsch verstandene Form von Demut.
Kein Mensch kann sich vor anderen so klein machen,
dass er sich im Grunde ganz auflöst und gar nicht mehr da ist.

Demut hat also auch nichts mit Selbstverleugnung zu tun.
Im Gegenteil:
Demut hat ganz viel mit der Erkenntnis der eigenen Person zu tun -
vor sich selbst,vor den anderen und auch vor Gott,
der uns geschaffen hat.
In Psalm 8 wird etwas über diese demütige Form der Selbsterkenntnis gesagt:
Der Psalmbeter sieht sich innerhalb der großartigen Schöpfung –
und er kann es kaum fassen,
wieviel Bedeutung Gott den Menschen gegeben hat.
Wenn ich sehe die Himmel,
deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast:
Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst,
und des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst?
Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott,
mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.

Von Ehre und Herrlichkeit spricht der Psalmbeter.
Aber es sind menschliche Eigenschaften,
die er nicht aus sich selbst heraus hat.
Vielmehr, weil Gott es so wollte und will –
besteht der Mensch vor seinem Schöpfer in Ehre und Herrlichkeit.
Erinnern wir uns an die ersten Menschen, Adam und Eva.
Die beiden sind Beispiele dafür, wie perfekt Gott alles erschaffen hat.
Er hat ihnen dabei auch Grenzen mitgegeben.
Sie sollten nicht von der einen Frucht essen.
Aber die Menschen sind hochmütig.
Sie wollen sich lieber selbst ihre Grenzen setzen –
also essen sie doch von der Frucht –
um zu sein wie Gott.
Und damit ist das Paradies für den Menschen erstmal vorüber.
Das bedeutet: Das Gegenteil von Demut ist Hochmut.
Ich bin wer – und darüber gibt es nichts.
Ich bin das Maß aller Dinge.
Wer so in überzogener Weise von sich denkt,
der wird im Zweifelsfall auch über Leichen gehen.
Die gesamte Ordnung unter uns Menschen ist nur deshalb so bedroht,
weil sich die Hochmütigen immer wieder über das Recht
und über die Bedürfnisse der anderen hinwegsetzen.

In zwei Wochen ist das Erntedankfest.
Da gibt es in vielen Gemeinden die schöne Tradition,
in den Kirchraum und vor allem auf den Abendmahlstisch
Gemüse, Obst und viele andere Früchte niederzulegen.
Viele Gemeindeglieder, die etwas in die Kirche vorbei bringen,
achten darauf, dass nur die schönsten, die prallsten,
die ansehnlichsten Früchte aus der eigenen Zucht
den Weg in den Kirchraum finden.
Wer sich so am Erntedankfest beteiligt,
hat zumeist noch ein Verständnis von dem,
was auch im Gottesdienst gesungen wird:
Wir pflügen, und wir streuen den Samen
auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen
steht in des Himmels Hand. (eg 508)“.

Dabei – so richtig notwendig scheint das Erntedankfest ja nicht mehr zu sein. 
Viele Früchte sind für uns das ganze Jahr über verfügbar.
Um das Säen und Ernten müssen wir uns auch nicht kümmern.
Wir gehen einfach in den nächsten Supermarkt
und da liegt dann schon die schöne große Auswahl.

Stellen wir uns einmal vor,
Gott würde nun Adam und Eva in diesen Konsumgarten setzen –
mitten hinein in unser selbst erschaffenes Wohlstandsparadies.
Die beiden sehen sich um, gehen so umher,
und das einzige, worüber die Schlange an der Kasse noch meckert:
dass sie vergessen haben,
die Früchte in den kleinen Plastikbeuteln auszuwiegen.
Da ist nicht einmal mehr Scham darüber,
dass ihr Wohlstand zu Lasten vieler anderer Menschen geht.
Da ist nicht einmal mehr ein Nachdenken darüber,
wie die Versorgung mit Lebensmitteln
in anderen Bereichen unserer Welt aussieht.
Und so gehen Adam und Eva in ihre gemütliche Wohnung zurück,
lassen sich auf ihre Couch fallen, legen die Füße hoch
und genießen wie selbstverständlich alle Früchte,
die sie soeben erworben haben...

Es hat etwas mit Demut zu tun,
den Wert des Erntedankfestes zu verstehen.
Denn es unterbricht in besonderer Weise
unseren allzu selbstverständlich gewordenen Alltag,
in dem wir von so vielen schönen Dingen umgeben sind,
die uns auch allzu selbstverständlich geworden sind.
Zum Erntedankfest rufen wir die Erinnerung in uns wach,
dass wir empfangen, was wir haben:
Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn,
drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihm, dankt und hofft auf ihn. (eg 508)

Schließlich ist unser ganzes Leben etwas,
das wir dankbar aus der Hand Gottes nehmen.
Nicht nur die Früchte aus den Gärten.
Wie wenig selbstverständlich das Leben selbst ist,
wird vielen Menschen erst bewusst,
wenn z. B. die zermürbende Diagnose beim Onkologen offenbart wird,
oder wenn durch einen schrecklichen Unfall das Leben
neu gelernt werden muss,
oder wenn ganz plötzlich und unerwartet
der Tod ein sorgsam gehegtes familiäres Beziehungsgeflecht auseinander reißt.

Diese Ereignisse machen uns in schmerzlicher Weise bewusst,
dass es auch in unserer Welt immer noch Früchte gibt,
die wir einfach nicht ernten und essen können.
Aber genau das anzunehmen,
ohne daran zu verzweifeln, das fällt schwer.
Adam und Eva ist dies nicht gelungen.
Sie haben sich dazu verleiten lassen,
die Grenzen, die ihr Leben bestimmen,
in hochmütiger Weise zu verneinen.

Also: Demut kann bedeuten:
Die eigenen Grenzen anzuerkennen und anzunehmen.
Es geht auch darum, mit den Dingen,
die uns gegeben sind – sinnvoll umzugehen.
Sei es die Schöpfung um uns herum –
dass wir sie nicht ausbeuten,
sondern dankbar uns nehmen, was uns gegeben ist.
Das können aber auch die Ereignisse in unserem Leben sein:
Krankheiten, Unfälle, Katastrophen, Todesfälle, die uns gegeben sind,
auferlegt sind:
Daran nicht zu verzweifeln,
sondern schätzen zu lernen,
wie wichtig das Leben ist,
das wir haben und vor allem:
Wie wichtig es jetzt, in jedem einzelnen Moment ist.
Wie viele Menschen sagen nicht:
Ja, die ganz schönen Dinge,
die mache ich, wenn ich...“
Und noch bevor sie den Satz beenden können,
wartet schon der Alltag –
bis aus allen Tagen irgendwann der letzte Tag wurde.

Wie wichtig ist unser Leben –
inmitten dem Leben der anderen:
Die Frage 4 des Heidelberger Katechismus fragt genau danach:
Was fordert denn Gottes Gesetz von uns?“ -
Und er antwortet mit einem Satz, den Jesus Christus gesagt hat –
und was gemeinhin das Doppelgebot der Liebe genannt wird.
Liebe deinen Nächsten und liebe Gott.
Aber in Wirklichkeit ist es ein Dreifachgebot:
Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst und liebe Gott.
Auch das ist Demut:
Liebe dich selbst, liebe deinen Nächsten, liebe Gott.
Das eine bedingt und verursacht das andere.

Der Apostel Paulus,
der in vielen Briefen immer wieder
auf eine vernünftige Ordnung innerhalb der Gemeinde hingewiesen hat – 
musste in seinem Leben oft die Erfahrung machen,
gedemütigt zu werden: Gemeinden, die er gegründet hat,
wollten plötzlich nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Von vielen wurde er als ein besserwisserischer Miesmacher verstanden.
Aber dabei ist er wohl falsch verstanden worden.
Diese Form der Demütigungen hat er aber auf sich genommen –
und er hat oft geschrieben,
dass es ihm eben von seinem Herrn Jesus Christus so auferlegt worden ist.
Das ist schon auch eine Form der Anfechtung,
die wir vielleicht heute auch manchmal erleben:
Wenn sich die jungen Leute aus dem CVJM hier so engagieren
und alles so wunderbar mitmachen,
dann dürfen wir als die Gemeinde nicht vergessen,
dass es dann oft in der Schule unter Freunden heißt:
Ach, jetzt machst du wieder was für die Kirche, für den CV?“
Und nicht wenigen begegnet da Unverständnis.
Auch Paulus hat das in ähnlicher Form schon durchgemacht.
Es ist Demut, dann zu sagen:
Ja, das mache ich, weil ich daran glaube, weil's mir gut tut –
und weil es auch ein Auftrag an mich ist.“

Paulus betont immer wieder,
wie wichtig es ihm ist, das Menschen ihr Leben
nach dem Vorbild Christi leben.
Im Philipperbrief sschreibt er:
Ist nun bei euch Ermahnung in Christus,
ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes,
ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit,
so macht meine Freude dadurch vollkommen,
dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt,
einmütig und einträchtig seid.
Tut nichts aus Eigennutz oder
um eitler Ehre willen,
sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst,
und ein jeder sehe nicht auf das Seine,
sondern auch auf das, was dem andern dient.
Seid so unter euch gesinnt,
wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht

Und im Anschluss schreibt er einen Hymnus auf,
der wohl damals in den Gemeinden auch gesungen worden ist.
Darin wird deutlich,
dass Jesus Christus das Vorbild für unser Leben in Demut ist:
Er, der in göttlicher Gestalt war,
hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,
sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an,
ward den Menschen gleich
und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.
Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode,
ja zum Tode am Kreuz.
Darum hat ihn auch Gott erhöht
und hat ihm den Namen gegeben,
der über alle Namen ist,
dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie,
die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
und alle Zungen bekennen sollen,
dass Jesus Christus der Herr ist,
zur Ehre Gottes, des Vaters.

Demut – Liebe zu sich selbst, zu den anderen und zu Gott –
Aufgetragenes annehmen –
das gehört zusammen,
weil Jesus Christus uns das vorgelebt hat – bis zum Ende.

Wir würden wohl immer wieder an der Demut verzweifeln,
wenn da nicht das heilsame und sättigende Wort Jesu Christi wäre.
Jesus hat sein Leben demütig bis zum Tod aus Gottes Hand angenommen.
Und er hat neues Leben, das ewige Leben empfangen.
Er ist der Grund für unsere Hoffnung im Leben und im Sterben.
Jesus sagt: „Ich bin das Brot des Lebens.
Wer zu mir kommt,
den wird nicht hungern;
und wer an mich glaubt,
den wird nimmermehr dürsten.
(Johannes 6, 35)“.
Amen

11. nach Trinitatis, 4. September 2011


Liebe Gemeinde.
Das faszinierende an den Gleichnissen,
die Jesus erzählt, ist,
dass sie auf einfache Weise etwas
über das Verhältnis von den Menschen zu Gott sagen.
So, dass jeder es verstehen kann.
Auch über die Entfernung von 2000 Jahren
hat das Gleichnis von den ungleichen Brüdern
nichts an seiner bestechenden Deutlichkeit verloren.
Wobei: In einem Weinberg arbeitet wohl niemand von uns.
Aber es finden sich Beispiele aus unserer eigenen Welt,
die dem Inhalt des Gleichnisses nahekommen.
Zum Beispiel die Sache mit dem Rasenmähen –
aus der Sicht des Aufgeforderten erzählt:

Neulich, ich war gerade wieder so zu Hause,
hab mich erstmal so auf die Couch gefletzt –
naja, erstmal n bisschen ausruhen.
Und dann, klar:
Fernseher an und erst mal n paar Folgen Scrubs reinziehen.
Ja, und dann, mitten in der ersten Folge,
kommt meine Mutter plötzlich in mein Zimmer,
stellt sich voll vorn Fernseher und meint so:
Hier, kannste mal den Rasen mähen?“
Ich so: „Ja, ja.“
Und sie: „Mach das bitte jetzt aber auch.“
Und ich so: „Ja, mach ich ja gleich!“
Und sie so: „Ja, aber auch wirklich, ne?!
Und brauchst ja nicht gleich mit den Augen drehn,
wenn ich dich mal um einen kleinen Gefallen bitte.“
Boah, und ich dann so:
Jetzt stress hier mal nich so rum! Ich mach das ja gleich wohl?!
Ich hatte heute vielleicht n anstrengenden Tag
in der Schule?!“
Ja, sie dann wieder raus, knallt schon mal die Tür zu,
und ich denk so: „Ja super!“
Da hatte ich schon voll kein Bock mehr auf Rasenmähen.
Naja, war ja auch erst so kurz nach drei oder so.
Jedenfalls, ich guck halt so weiter Scrubs –
und plötzlich reißt meine Mutter die Tür auf
und fängt voll an, mich anzubrüllen, so
Hier, ich hab dich doch gebeten, den Rasen zu mäen.
Und was ist?
Sitzt den ganzen Tag da nur rum,
sitzt vorm Computer oder vorm Fernseher.
Kannst wohl auch mal was machen.“
Jedenfalls hab ich natürlich voll zurückgebrüllt.
Is ja klar, so was muss ich mir echt nich anhörn.
Aber die Krönung von dem Ganzen, echt mal,
10 Minuten später guck ich so ausm Fenster
und da brettert meine Mutter wutschnaubend
mit dem Rasenmäher übern Rasen.
Boah, was hab ich mich aufgeregt.
Ich hätt das ja echt wohl gemacht.
Dass man nich mal in Ruhe erst
Scrubs zu Ende kucken kann.
Naja... Ach...
Wenn ich ehrlich bin, schäm ich mich ein bisschen.
Klar ist Rasenmähen nicht toll, aber...
jetzt steh ich wie der letzte Trottel da –
meine Mutter ist wieder sauer –
und das hab ich ja gar nicht gewollt---
Aber das würd ich nie zugeben!

Im ersten Moment haben die Leute,
die das Gleichnis mit den ungleichen Brüdern gehört haben,
vielleicht etwas fragend reagiert:
Was sollen bitte ein Weinberg,
ein Mann, zwei Brüder mit Gott zu tun haben?
Das Gleichnis ist ein Vergleich. Bildliche Rede.
In diesem Gleichnis geht es um die Frage,
welcher der beiden Brüder
denn den Willen seines Vater getan hätte –
Oder besser:
Welche Sorte von Menschen den Willen Gottes tun!
Der Vater enstpricht Gott. Er gibt den Menschen –
hier dargestellt durch zwei Brüder einen Auftrag.
Jesus stellt den Umstehenden selbst die Frage,
wer diesen Auftrag, diesen Willen Gottes wohl erfüllt.

Der eine, der Ja sagt, aber es nicht tut?
Also ähnlich wie der Rasenmäher-Sohn?
Nein, der andere entspricht dem Willen seines Vaters.
Denn obwohl er seinen Vater erstmal abblitzen lässt,
tut es ihm anschließend leid
und er geht dann doch im Weinberg arbeiten.
Man stelle sich das für die Sache mit dem Rasenmähen vor –
diesmal aus Sicht der Mutter erzählt:

Letzte Woche hab' ich Timmy gebeten,
den Rasen zu mähen –
er weiß ja eigentlich,
dass das eben zu seinen Aufgaben zu Hause gehört.
Aber ich wünsche mir manchmal,
dass er da auch von alleine drauf kommen würde.
Naja, das ist manchmal nicht alles so einfach.
Wir fangen deshalb schon auch manchmal Streit an.
Er sagt, er macht's,
dann kommt er aber aus seinem Zimmer nicht raus,
ich werd sauer,
und eins kommt zum andern.
Jedenfalls, letzte Woche,
da ist ein kleines Wunder passiert.
Wobei ich von seiner Reaktion erst...
ich weiß nicht,
ziemlich vor den Kopf gestoßen war.
Als ich ihn nämlich gefragt hab,
meinte er einfach so:
Nein. Mach ich nicht.“
Mit was für einer Bestimmtheit er das gesagt hat,
also, da war ich so baff,
da ist mir nichts mehr eingefallen.
Da bin ich erstmal wieder nach unten gegangen.
Und als ich die ganze Zeit überlegt habe,
wie ich da wohl drauf reagieren könnte –
da ist er einfach so nach unten gekommen,
ist ohne was zu sagen nach draußen
und hat den Rasen gemäht.
Und die Kanten hat er auch geschnitten.
Ich dachte, ich seh nicht richtig.
Ja, und als er wieder ins Haus gekommen ist,
hab ich ihn gefragt:
Sag mal, was war das denn jetzt?“
Und da meinte er:
Ja, hmm, also, tut mir leid,
dass ich vorhin so bescheuert reagiert hab.“
Und da hab ich mich so gefreut –
und ich hab gedacht:
Die Pubertät hat wohl doch einmal ein Ende.

Das Gleichnis von den ungleichen Brüdern ist deutlich:
Den Willen des Vaters zu erfüllen,
auch wenn man es eigentlich nicht wollte,
das ist gut.
Ein reines Lippenbekenntnis dagegen,
also Ja zu sagen aber anschließend nichts machen,
das ist nicht gut.
Und die Übertragung mit dem Rasenmähen macht deutlich:
Den Willen der Mutter zu erfüllen,
auch wenn man das eigentlich nicht wollte,
ist am Ende einfach viel angenehmer
für alle Beteiligten.
Der Junge, der den Rasen letztlich mäht,
der ist einfach etwas reifer.
Sein eigener Wille ist nicht das höchste Maß aller Dinge.
Er lässt sich auch von anderen etwas sagen,
er lässt sich zu etwas beauftragen,
auch wenn er erstmal ablehnt.
Der erste Junge ist dagegen noch etwas kindischer –
oder vielleicht auch ein bisschen pubertär.
Er sagt zwar zu allem Ja –
aber er lässt seinen schönen Worten letztlich
keine Taten folgen.

Was Jesus mit dem Gleichnis sagen will,
geht aber über die Arbeit in einem Weinberg –
und natürlich erst recht über das Rasenmähen hinaus:

Das wird deutlich, wenn man sich den Kontext
dieses Gleichnisses anschaut.
Jesus ist da nämlich gerade im Tempel in Jerusalem und – 
er lehrt, wie Matthäus das nennt.
Das bedeutet, er erzählt den Umstehenden
etwas von Gott.
Allerdings ist das nicht so sehr eine Predigt,
so wie wir das heute in unseren Kirchen kennen.

Vielmehr war es damals durchaus Gang und Gebe,
dass die Gelehrten sich in Diskussionen und Disputen
über Gott ausgetauscht haben.
Einer zitiert z. B. eine Stelle aus den heiligen Schriften –
äußert seine Meinung und seine Einsicht dazu –
und danach ergreift ein anderer das Wort
und bezieht zu dem eben gesagten Stellung.
So ergibt sich eine ganz lebendige Auseinandersetzung
über Themen,
die im wahrsten Sinne des Wortes
Gott und die Welt betreffen.

Nur – bei Jesus war die Sache ein bisschen anders:
Er hat eine ganz besondere, einzigartige Autorität
für sich beansprucht.
Was er sagt, entspricht der Wahrheit.
Jesus redet von Gott,
während die anderen nur ÜBER Gott reden.

Seine besondere Autorität erkennen wir heute an,
indem wir Jesus mit verschiedenen Titeln anreden: Christus,
unser Herr,
der König,
Sohn Gottes,
Erlöser,
Heiland usw...
Das wollten die Gelehrten damals so aber nicht.
Ihnen war der Zugang zu der Wahrheit,
die Jesus verkündet hat, verborgen.
Darum lassen sie keine Gelegenheit aus,
ihm Fallen zu stellen.
Am Anfang sind es nur rhetorische Fallen –
am Ende finden sie einen
seiner vermeintlich treuen Schüler,
Judas heißt er, der ihn verrät.
Aus Jesu Sicht wenden sie sich aktiv gegen die Wahrheit. Und das ist nicht nur irgendeine Wahrheit,
sondern das ist DIE Wahrheit,
die göttliche Wahrheit, gegen die sich wenden.
Jesus hat nicht nur davon geredet.
Für die Wahrheit ist er sogar gestorben.
Aber damit ist nicht die göttliche Wahrheit gestorben.
Im Gegenteil.
Gott erweckt Jesus von den Toten
und macht ihn damit zum sicheren Fundament all dessen,
was wir glauben,
nämlich,
dass unser Gott der Gott des Lebens ist
und dass unser Gott will, dass wir leben,
selbst wenn wir sterben.

Deshalb wird Jesus zum Ende
dieser Auseinandersetzung im Tempel so ernst:
Zöllner und Huren kommen eher in den Himmel als ihr.“ - 
wirft er den Gelehrten an den Kopf. Das sitzt.
Jesus meint damit:
Nur Gott gefällige Menschen kommen in den Himmel. 
Aber wer ein Gott gefälliger Mensch ist,
also, welcher Mensch Gott gefällt, das bestimmt Gott allein.

Wer meint,
sich selbst zu einem Gott gefälligen Menschen
machen zu können,
ist nur ein selbstgefälliger Mensch.
Einer der sich so gut gefällt,
dass er der Meinung ist,
dass Gott ihn auch auf jeden Fall leiden kann.
Natürlich kratzt das am Ego der Gelehrten.
Immerhin sind's ja die Gelehrten,
die Experten für Fragen des Glaubens
und der Beziehung zu Gott.
Selbstgefälligkeit und Gottgefälligkeit
sind Fragen von Hochmut und Demut.
Der Hochmütige sagt Ja –
oder noch besser: „Jaja!“, aber es kommt nichts.
Der Demütige sagt erstmal Nein –
aber dann tut es ihm leid – und er macht dann eben doch:

Im Gleichnis arbeitet der Demütige im Weinberg.
In der Übertragung mäht der Demütige den Rasen.
Aber wie sieht Demut im Leben aus?
Demut ist ja zunächst mal ein Wort,
mit dem die allermeisten nicht viel anfangen können
oder wollen.
Es ist ein sehr negativ besetztes Wort.
Aber was bringt uns Demut in unserem Leben?
Was kann es bedeuten,
als Christ in der Gegenwart im Weinberg Gottes zu arbeiten –
oder wenn man so will:
Den Rasen Gottes zu mähen?

Da dies ein Thema für eine ganz neue Predigt ist,
habe ich mir für heute etwas ungewöhnliches überlegt:
In zwei Wochen werde ich genau darüber predigen.
Ich werde genau da anknüpfen, wo ich jetzt aufhöre.
Und bis dahin:
Denken Sie/ denkt ihr doch mal ein bisschen
über Hochmut und Demut nach.
Was bedeuten diese Begriffe für Sie/ für euch?
Welche Erfahrungen haben Sie, habt ihr gemacht?
Was ist für Sie / für euch Arbeit im Weinberg Gottes?
Und inwiefern ist diese Arbeit auch mühsam?
Ich denke, dass es sich lohnt –
und ich würde mich freuen,
darüber dann auch mit Ihnen / mit euch
ins Gespräch zu kommen.
Der Friede Gottes,
welcher höher ist als alle Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen